Seltsam, seltsam...

6. September 2012 / Eingestellt von thw um 16:25 /

Was sollen wir davon halten? Zumindest ist es keine radikale Geste, sondern ein schlechter Witz...zum Nachteil der Institution:

Hier die Fakten:


Sehr geehrte Damen und Herren,

entgegen der Ankündigung von Elke Krystufek das Haus am Waldsee mit einer raumfüllenden Installation in ein „Landschaftsgemälde“ zu verwandeln, hat die Künstlerin es vorgezogen das Haus ohne jeden Kommentar  leer zu lassen. Wir können ihr Nichthandeln nur als konzeptuelle Geste auffassen, da die Künstlerin seit Juni nicht ansprechbar ist. Bitte finden Sie weitere Hintergründe zu Elke Krystufeks radikaler Geste im Anhang.

Die Ausstellung wird ab heute bis zum 09.09. geöffnet sein.
Die Ausstellung „Downtown“ mit Erik Schmidt wird vorgezogen und läuft von 05.10. bis 31.12.2012.
Der Aufbau wird ab 10.09. in der Zeit zwischen 12 bis 18 Uhr öffentlich zugänglich sein.

Mit vielen freundlichen Grüßen
Katja Blomberg

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Dr. Katja Blomberg
Leitung

Haus am Waldsee
Internationale Gegenwartskunst in Berlin
Argentinische Allee 30
D-14163 Berlin
www.hausamwaldsee.de




Berlin, den 6. September 2012 

Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher, 

entgegen der Ankündigung von Elke Krystufek, das Haus am Waldsee unter dem Titel Harmonie 20 mit Bildern und Objekten aus ihrem Archiv in ein raumfüllendes Landschaftsgemälde zu verwandeln, hat die Künstlerin entschieden, die Ausstellungsfläche leer zu lassen. Da dies ohne jede Mitteilung der Künstlerin geschah, können wir ihr Handeln nur spekulativ bewerten. 
Aus der Entwicklung ihres bisherigen Werkes jedoch lässt sich die extreme Maßnahme herleiten und in die jüngere internationale Kunstgeschichte einordnen. Mitte der 1990er-Jahre beginnt die Karriere einer der radikalsten Malerinnen und Konzeptkünstlerinnen im Bereich der künstlerischen Genderforschung mit einer spektakulären Performance in Wien: Satisfaction ist der Titel einer als Video überlieferten Aktion, bei der sich die 24-jährige Hochschulabsolventin Elke Krystufek, herausgefordert durch ihr amerikanisches Popidol Kim Fowles, vor zahlreichen Vernissage-Gästen selbst befriedigt. Krystufek nutzt die öffentliche Plattform, um Rollen- und Anstandsbilder, Normen und gesellschaftliche Erwartungen aufzulösen und den alles dominierenden männlichen Blick zu entlarven. Es folgen zahllose Selbstporträts als Zeichnungen und Gemälde, Textbilder, Performances, Modeentwürfe und Videoarbeiten, die die Konstruktionen von Weiblichkeit in unserer Kultur analysieren. 
Mitte der 2000er-Jahre ändert sich der Blickwinkel. Anlässlich ihres Auftritts im österreichischen Pavillon bei der Biennale von Venedig 2009 thematisiert Krystufek den weiblichen Blick und engagiert ein männliches, heterosexuelles Modell, um sich dem Männerakt zu widmen. Damit ist sie neben Marlene Dumas international eine der wenigen Malerinnen, die dieses Thema aufgreift. Durchgehend unterliegen Krystufeks Werke einem Paradox: Sie sind zugleich exzentrisch und selbstbewusst sowie verletzlich und höchst fragil. Radikalität und Sensibles sind gleichzeitig wirksam. Nach 2009 beschließt die Künstlerin, selbst nicht mehr als Aktmodell zu agieren. Sie wendet sich dem Islam zu, lernt Arabisch und beschäftigt sich intensiv mit Bilderverbot und Verschleierung. Auf ausgedehnten Reisen hält sie sich im Nahen Osten auf. 
Abgesehen von der für Krystufek zentralen Genderthematik faszinieren sie schon früh Menschen, die jung verstorben oder verschwunden sind. Hier fungiert vor allem der niederländische Konzeptkünstler Bas Jan Ader für sie als Alter Ego. Aders Vater war 1944 von den Nationalsozialisten hingerichtet worden, weil er versucht hatte, Juden über das Meer in Sicherheit zu bringen. Bas Jan, der mit schweren Depressionen zu kämpfen hatte, unternimmt im Alter von 33 Jahren im Frühjahr 1975 den Versuch, in einem kleinen Segelboot den Atlantik zu überqueren. Ein Jahr später findet man sein Boot vor der irischen Küste. Von Ader fehlt bis heute jede Spur. Mehrmals lässt sich Krystufek davon zu eigenen Arbeiten anregen, die bis auf die Osterinseln führen und die Biografie Aders fortsetzen. 
Verweigern und Verschwinden kommen in der jüngeren Kunstgeschichte seit den späten 1960er-Jahren vor. So fanden die Besucher einer Ausstellungsreihe des amerikanischen Malers und Konzeptkünstlers Robert Barry 1969 in der Galerie Art & Project in Amsterdam ein Schild vor: „Während der Ausstellung bleibt die Galerie geschlossen“. Künstler haben, wie Daniel Buren, die Malerei in den Raum getragen oder fest mit der Architektur verbunden. Sie entziehen sich, wie Tino Sehgal, der Dokumentation oder verfassen, wie Frank Bölter, „Bekennerschreiben“, um zu begründen, warum sie sich nicht für eine Ausstellung bewerben, beziehungsweise, wie Kai Althoff bei der Documenta 13, um eine Ausstellungszusage zurückzuziehen.
Eine Absage ohne „Bekennerschreiben“ ist bisher singulär im zeitgenössischen Kunstbetrieb. Krystufeks extreme Geste der Verweigerung kommt einer Selbstverletzung gleich, deren Folgen für
ihr Werk am Eröffnungswochenende von Harmonie 20 noch nicht absehbar sind. Das Haus am Waldsee hat beschlossen, die Ausstellung am 6. September wie geplant zu eröffnen und am 10. September 2012 zu schließen. 

Am Donnerstag, den 4. Oktober 2012, eröffnen wir die Ausstellung Downtown mit dem Maler und Videokünstler Erik Schmidt. Herzlichen Dank an Erik Schmidt, der kurzfristig bereit ist, seine Schau zwei Monate vorzuziehen und den Aufbau öffentlich zu machen: Das Haus bleibt während des ganzen Septembers von 12 bis 18 Uhr geöffnet. 
Dem gesamten Team des Hauses am Waldsee sei für seine besondere Geduld und Hingabe bei der Vorbereitung der Ausstellung von Elke Krystufek besonders gedankt. Ferner danke ich Thomas Rusche, Joachim Bandau, Wilhelm Schürmann und Cella und Georg Girardet für intensive Gespräche, dem Vorstand des Trägervereins, Indina Niggemann, Wolfram Gabler und Kurt Johannson, für seine konstruktive Unterstützung und nicht zuletzt dem Verein der Freunde und Förderer des Hauses am Waldsee, dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf von Berlin und dem Hauptstadtkulturfonds für die finanzielle Unterstützung. Katja Blomberg Leiterin Haus am Waldsee Internationale Gegenwartskunst in Berlin
Elke Sylvia Krystufek, Harmonie 20 06. September 2012 – 09. September 2012 „Ich habe beschlossen, mein Leben zum Kunstwerk zu machen. Ich habe kein Privatleben: alles ist öffentlich“ bekannte die 1970 in Wien geborene und heute in Berlin und Wien lebende Künstlerin Elke Krystufek. Im Herbst 2012 findet im Haus am Waldsee eine Ausstellung als Bild-Text-Ton-Collage aus dem Archiv der Künstlerin statt. Die Schau entsteht wie ein Gemälde: Einmal geplantes kann jederzeit mit einem Eimer Farbe übertüncht werden und somit eine andere Gestalt annehmen. Seit eineinhalb Jahren beschäftigt sich Krystufek intensiv mit dem Islam. „Mich hat durch die Beschäftigung mit dem Islam ein anderer Umgang mit Zeit im Ausstellungsbetrieb zu interessieren begonnen. Ich arbeite jetzt gerne mit älteren Arbeiten, auch weil eine Arbeit von 1999 für mich zum Beispiel so weit weg ist, das sie damit gleichzeitig ganz neu ist. Fast fremd. Ich finde es ungeheuer spannend, dass 12 Jahre bei einem Kunstwerk eine so große Rolle spielen. Ich bin fast nicht mehr der Mensch, der diese Arbeit gemacht hat.“ (Elke Krystufek, email 14.Juli 2011) Zum ersten Mal wird Krystufek in einer Einzelausstellung in Berlin vorgestellt und damit eine österreichische Künstlerin gezeigt, die in der Tradition des Wiener Aktionismus vor allem an genderspezifischen Themen der Gegenwart arbeitet. Krystufek wird Ereignis-Räume schaffen, die das Verdrängte von Lust, Gefühl, Körperlichkeit, Affektivität, Spiel, Spontaneität, Neugier und Unbewusstes in Zeichnungen in Fluss hält. Ihr gelingt es durch Tabubrüche und Schamüberschreitungen oft heftige Reaktionen beim Publikum freizulegen. Dabei will sie nicht die Begierde, sondern das Denken ankurbeln. Genderspezifische Konventionen brechen auf. Die Künstlerin setzt extensiv unterschiedliches Material ein. Sie nutzt Versatzstücke aus der Pop- und Alltagskultur, aus Video und Film und bietet zugleich der Reizüberflutung durch die Kunst Paroli. Sie stellt den eigenen Körper zur Schau und nimmt auf diese Weise ungeschützt mit der Umwelt Kontakt auf. Sie demaskiert die auch im Kunstbetrieb sichere Strategie des „Sex sells“. Die Krystufeksche Freikörperkultur ist eine Kultur der Befreiung des Körpers aus seinen kulturellen Zwängen und Dressuren. Als Interventionskünstlerin setzt Krystufek Collage-Techniken ein. Sie verwandelt das Ausstellungshaus in ein Laboratorium des Fremden, Neuen, Unberechenbaren. Krystufeks Kunst zielt auf kritische Reflexion des Alltags. Ihre Zeichnungen, die das eigene Antlitz wieder und wieder wiederholen sind von eigenen Befindlichkeitstexten überzogen, die sich wie Tagebücher durch ihre Arbeit ziehen und den offenen Dialog mit dem Betrachter suchen. Das zu-sich-selbst-Kommen im Anderen könnte als Motto hinter dieser Strategie stehen. Es ist nicht der Rückzug ins Private, den Krystufek empfiehlt, sondern die Repolitisierung des Intimen. Krystufek betreibt Geschlechterforschung. Sie bezieht sich vor allem auf Männlichkeitsphantasien und Konstrukte von Weiblichkeit, aber auch von Männlichkeit durch den weiblichen Blick. Rollen und Masken lassen das Wahre dahinter unsichtbar werden. Ihr Interventionskurs befindet sich in Konfrontation mit dem Bestehenden
und evoziert Entgrenzung. Sie weicht die abendländische Leitdifferenz zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, zwischen Kultur und Leben auf. 

Berlin, im Juli 2012

BIOGRAPHIE
Elke Silvia Krystufek Geboren / born 1970 Lebt und arbeitet in Wien und Berlin/ Lives and works in Vienna and Berlin Einzelausstellungen (Auswahl) / Solo Exhibitions (selection) 2012 HARMONIE 8, Le Confort Moderne, Poitiers HARMONIE 5, Galerie Nicola von Senger, Zürich
2011 Locals and Immigrants, Galerie Susanne Vielmetter, Los Angeles HARMONIE 3, The Box Gallery, Los Angeles HARMONIE 2, Vegas Gallery, London
2010 Heb, Autocenter, Berlin
2009 Der Sex ist im Text, Galerie Nicola von Senger, Zürich The female gaze at the male or unmale man, Galerie Meyer-Kainer,Wien Less Male Art, Kestner Gesellschaft, Hannover
2008 Mother Observing, Galleria Il Capricorno, Venice A FILM CALLED WOOD…, Transit Art Space, Stavanger Bedeutungszuwachs, Galerie Barbara Thumm, Berlin Power Change initiated by a woman, Ulmer Museum, Ulm Responsible for a certain amount of Luck, Camera Austria, Graz
2006/7 Liquid Logic – The height of knowledge and the speed of thought, MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Vienna
Gruppenausstellungen (Auswahl) / Group Exhibitions (selection)
2009 Austrian Pavillion, Biennale Venedig (with Dorit Margreiter and Franziska and Lois Weinberger)

PRESSEINFORMATION
Erik Schmidt – Downtown
Ausstellungsdauer 5.Oktober 2012 bis 30. Dezember 2012
Pressevorbesichtigung Donnerstag, 4. Oktober 2012, 11 Uhr
Unter dem Titel „Downtown“ widmet das Haus am Waldsee dem Künstler Erik Schmidt (*1968 in Herford) eine erste Einzelausstellung in Berlin.
Erik Schmidt geht es in seinem Werk um die Beobachtung symbolischer Prozesse innerhalb verschiedener gesellschaftlicher Subsysteme. Klischees, Stereotypien, Codes, Rituale, Normen, Muster, Konventionen oder Rollen interessieren ihn besonders. Er beobachtet und erfährt sie im Umfeld unterschiedlicher Randgruppen der Gesellschaft, wie der Occupy-Bewegung, die Schmidt über den Weg der Fotografie in ein unendliches Feld von Farben und Formen malerisch auflöst. Er sieht Plantagenarbeiter in Israel ebenso unter besonderen Bedingungen, wie exotische Pflanzen in den Botanischen Gärten der westlichen Welt. Nicht zuletzt spricht aus allen seinen Werken der Künstler selbst, der sich am Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch in einer Sonderrolle der Gesellschaft sieht.
Schmidt arbeitet mit Zeichnung, Malerei und Videoperformance. Er nutzt dafür als Grundlage die eigene Fotografie. In der Ausstellung spannt sich der Bogen von frühen comichaften Zeichnungen und Gemälden von Stadträumen aus den frühen 2000er Jahren bis zur Occupy-Bewegung an der Wall Street in New York 2011/12, von israelischen Plantagenpflückern bis zum Leben unter besonderen Bedingungen in botanischen Gärten im Staate New York. Darüber hinaus portraitiert Schmidt performativ in einer Videoarbeit von 2012 zwei typische Occupy-Demonstranten, deren Rolle er selbst übernimmt. In einer Video-Trilogie, die das homosexuelle Künstlerdasein als einbezogen und doch zugleich ausgeschlossen begreift, wird das scheinbare Verstehen im Nichtverstehen deutlich. Schmidt verleibt sich die existentiellen Themen seiner Kunst stets über das eigene Er- und Durchleiden an, das er über die Abstraktion von Malerei, Zeichnung und Performance mit der zeitgenössischen Öffentlichkeit teilt.
Erik Schmidt studierte von 1992 bis 1997 hat er Illustration und Malerei in Hamburg studiert. Von 1998 bis 2000 setzte er sein Studium an der UdK in Berlin fort. 2002 nahm er ein Stipendium in Weimar wahr und 2006 eines an der Cité Internationale des Arts in Paris. Seit 2000 stellt der in Berlin lebende Künstler international aus. Nach verschiedenen Arbeitsaufenthalten in New York wurde er von Jan Hoet 2007 zu seiner ersten großen Einzelausstellung ins Museum Marta Herford eingeladen. Die Ausstellung stellt Erik Schmidt zum ersten Mal in einer Berliner Institution vor. Im Frühjahr 2013 wird sie im Leopold Hoesch Museum in Düren gezeigt. Der Aufbau vom 10.September 2012 bis 4. Oktober 2012 ist öffentlich.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag Walther König in Deutsch und Englisch zum Preis von € 16.80.
Gefördert durch den Senat von Berlin, Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin, Gembusstiftung, Freunde und Förderer des Hauses am Waldsee e.V..
Ausstellungsort
Haus am Waldsee – Internationale Gegenwartskunst in Berlin
Argentinische Allee 30
14163 Berlin
Tel.: 0049 (0) 30 801 89 35
www.hausamwaldsee.de
Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr
Eintritt € 7 / ermäßigt € 5
Kindervernissage 7. Oktober 2012, 11 Uhr
Pressekontakt Mirjam Wittmann, presse@hausamwaldsee.de, Tel.: 0049 (0) 30 801 89 35
Pressebilder finden Sie im Pressebereich auf unserer Website:www.hausamwaldsee.de

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