Text zur Ausstellung

15. Oktober 2011 / Eingestellt von thw um 13:10 /




Blake Rayne von Hugo BOADAS
Ausstellung „Shade Subscription“ 17.9. – 29.10.11 Galerie Capitain Petzel, Berlin

„Die letzte Freiheit, die ein Verzweifelter hat, ist die, komisch zu sein.“ heißt es in einem Film von Herbert Achternbusch. Das Komische entsteht nach Bergson im Gegensatz von Wirklichkeit und Ideal. (Henri Bergson, Das Lachen, Meisenheim a.R. 1948, S.71) Demnach verfährt man ironisch, indem man ausführt, was sein sollte, und vorgibt, dies entspräche der Wirklichkeit. Humor entsteht dagegen, wenn man die Wirklichkeit genauestens beschreibt und vorgibt, so müsse die Welt sein. In beiden Fällen wird versucht die Spannung von Ideal und Wirklichkeit auszuhalten, vielleicht zu vermitteln, was einer Verzweiflungstat gleicht. Künstler tun sich mit solchen Taten hervor, denn sie sind in erster Linie in diesem Spannungsfeld tätig, wozu sie künstlerische Mittel und Methoden entwickeln.  Was tun, wenn diese Mittel stumpf geworden sind und Methoden nur noch ersonnen werden, um die Mittel zu schärfen? Die Malerei ist seit langem solch ein stumpfgewordenes Mittel und künstlerische Bemühungen, die sich ihrer bedienen, sind gar nicht komisch sondern gleichen guthonorierten Verzweiflungstaten. Mit  Blake Rayne haben wir einen Künstler vor uns, der die Hoffnungslosigkeit des Malergeschäfts nicht scheut und dessen Arbeit einen Anflug von Ironie bewahrt hinter seinem analytischen Anspruch. Diesen formuliert er selbst in einem Statement zur Ausstellung für die Galerieinformation, in welchem er vom Maler und der Malerei als „Zeichen“ spricht:

„Meine Einstellungen gegenüber dem Medium der Malerei und meine eigene Identifikation als Maler, werden durch eine Praxis bestimmt, die mit den materiellen Bedingungen der Malerei weiterarbeitet. Ich beginne mit einer Lagebestimmung dieser Begriffe, Maler und Malerei, als „Zeichen“ (signs), das heißt sie sind „Fiktionen“. Diese Haltung behält sich vor, dass Malerei nicht durch irgendeine positivistische, statische oder ahistorische Definition bestimmt wird, die Malerei als Nullform oder reines visuelles/optisches Phänomen kennzeichnen würde. Das Zeichen „Malerei“ muss verstanden werden als ein Aufstellungsort (site), der fortwährend durch die linguistischen, institutionellen und physischen Beziehungen ausgestaltet wird.“ (Übers.: der Autor)

Das klingt nach Pragmatismus von der Art, weiterzumachen mit Vorgaben, in denen sich die Malerei jeweils neu zu verorten hat. Solche Untersuchungen im Geiste des Konzeptualismus kommen bei Rayne jedoch ohne den Positivismus der Konzeptkunst der 60iger Jahre aus. Seine Vorstellung, die Malerei als kunstrelevante Form retten zu können, möchte den linguistischen, institutionellen und physischen Gegebenheiten des Aufstellungsortes (site) Einflußgrößen abgewinnen, die er in seiner Malerei nutzbar macht, indem er sie aufzeigt. So wird, wie auch bei vielen anderen Künstlern heutzutage, eine situationsbedingte, soziokulturelle Gemengelage als bestimmendes Thema für die Malerei und den Maler ausgemacht. Aber diese Gemengelage gibt es seit es Kunst gibt und jede Ausstellung ist nur deshalb Ausstellung. Ihre formalen Bedingungen müssen deshalb keineswegs in ihrer Form aufgehen. Um so überraschender für uns, wenn die Daseinsberechtigung der Malerei darin bestehen soll, nur noch die Reflexion ihrer Bedingungen zum Inhalt zu haben; so wird der Jäger zum Gejagten. Und so ist die Malerei – und was von ihr heute übrig ist – ohne die Freiheit, komisch zu sein.
Das zeigt der Künstler sehr schön in seiner Installation Slöt. 13 Leinwandbilder gleicher Größe sind zwischen die beiden übermächtigen Stellwände der Galerie geklemmt, so dass sie nur ausschnitthaft vom Balkon der Galerie zu sehen sind. Steht man davor, so bleiben sie verborgen bis auf die jeweils erste Leinwand. Die vordere ist noch in Folie eingepackt wie zu ihrem eigenen Schutz, etikettiert vom Lieferanten. Ist es noch der Mühe wert sie auszupacken? Auf der hinteren sieht man die Bearbeitung der Leinwand durch aufgeklebte Zeitungsseite und Flecken. Diese Stellwände als Teile der Galeriearchitektur sind strenggenommen Voraussetzungen dafür, dass etwas gezeigt werden kann. Aber das zu Zeigende ist hier nicht nur unvollkommen sichtbar, sondern wird selbst konstruktives Element des Dispositivs. Immer dann, wenn das Kunstwerk selbst den Ort seiner Aufstellung (site) thematisiert, wird es Teil der architektonischen Konstruktion. Die vermeintlichen Aufklärungsbemühungen solcher Situationsspezifik werden unversehens zur Gefahr des Kunstwerks, das in dieser Funktionalität gefangen nur noch eingeschränkte Gültigkeit beanspruchen kann. Es verliert seinen eigentlichen Zweck und wird rhetorisch und damit angenehm für eine Kritik, die sich avanciert nennt.
Daß der Künstler nicht einzulösen imstande ist, was er vorhatte zu schaffen, ist ein Kerngedanke Duchamps. Wenn der Künstler aber glaubt, er könne dieses Manko  seines Tuns ausgleichen, indem er äußere Einflußgrößen als unabdingbare Parameter zu akzeptieren habe, weil diese seine Arbeit bestimmende Störgrößen sind, dann wird ihre Thematisierung zur Falle. Er begibt sich in die Verfügung von Publikum und site, obwohl er mit Hakenschlagen sich entziehen müsste; ja, seine Kunst besteht allein darin, genau solche Mittel zu erfinden, die mit Andeutungen und Verweisen auf abgelegte Traditionen zu spielen erlauben, ohne restaurativ zu werden. Denn er darf nicht den Fehler begehen, den imaginären Ort der Fiktion, der der exklusive Ort der Kunst ist, zugunsten des physischen Ortes (site) aufzugeben.  Das führt schließlich dazu, das Kunstwerk in den Rang einer Anekdote zu erheben, was der schlechteste Dienst wäre.
Trotz aller programmatischer Diskursivität ergibt sich in der Durchführung dieser Ausstellung dennoch der eine oder andere Widerspruch zum erklärten Programm, weil sich ironische Wendungen einschleichen. Zum Glück, möchte man sagen, denn das ist eine Qualität dieser Ausstellung und zeigt, dass Rayne intuitiv oder absichtsvoll auf doppeltem Boden steht. 
So tritt Malerei als Kommentar einer Unbeholfenheit auf, wenn der Künstler sie als eine Angelegenheit betreibt, die Flecken macht: Kaffee und andere Kleckereien, wie zerschmolzenes Speiseeis, sind nichts anderes als Acrylfarbe! (Slöt, Goat, Untitled) Kommentar zur überlebten Geschichte der Malerei sind die fünf Bilder „Rest in Shade“. Auf mit Zeitungspapier marouflierter Leinwand zeigen sie vergrößerte Abdrucke lexikalischer Einträge von statistischen Daten zur Produktionsmenge einiger französischer impressionistische Maler. Auf diesen Informationswert reduziert, erscheint deren Malerei damit belanglos und wird zur graphischen Chiffre reduziert wie die gestrigen Zeitungsnachrichten auf dem Zeitungspapier, auf das sie aufgedruckt sind. Und in einem Bild wie RSVP wirken die ausgeschnittenen Filzbuchstaben auf der Leinwand nicht nur als entfernte Zitate zu Morris oder Johns. Vielmehr treten sie auch als Kommentar zum verlorengegangenen Inhalt der Malerei auf, wenn dieser auf ein bildgewordenes graphisches Zeichen reduziert auftaucht und als Banalität auf einer dahinter auf die Leinwand geklebten Zeitungsseite verkümmert. „RSVP  ist aber auch die formelhafte Abkürzung von  „Répondre à l’invitation s’il vous plait“, einer Formel, die sich auf offiziellen Einladungen in Frankreich findet. Woauf uns also Rayne bittet zu antworten, ist sicherlich ein Anlaß dieser Ausstellung. Eine mögliche Antwort auf das Malereiproblem oder ähnliches beim eingeladenen Publikum zu suchen, nenne ich auch eine Verzweiflungstat. Aber schon Duchamp sagte mit dem Titel „Je m’en“ seines letzten gemalten Bildes 1918 nichts anderes, als daß es ihm Wurscht sei.
Wie eine reminiszente Fluchtbewegung in die jüngere Kunstgeschichte mutet ein zerlegtes Fahrrad an. Dieses auseinandergerissene Arrangement erinnert an die rekonstruierende Logik einer Geschichte, welche die Herkunft der auf einem Küchenschemel montierten Fahrradfelge Duchamps im Laubgewirr seiner Installation Étant donnés vermutet. Fahrradteile lassen sich nicht mehr ungestraft ausstellen, Duchamp sei’s gedankt. Gleich am Eingang zitieren die beiden demontierten Felgen in einem Arrangement aus Laub mit Zweigen (Blake) auf zurückhaltende Art „Étant donnés“. Zur Reifenreparatur bereit befindet sich im Mittelteil der Galerie der Rahmen kopfüber auf Sattel und Lenker gestellt (Untitled). Der Rahmen ersetzt den Schemel Duchamps und bringt uns den Kontext der Erfindung der Urform seines neuen kinetischen Skulpturenkonzepts in seiner ganzen Einfachheit nahe. Sie deutet ihn um als Fahrradreparatur und gewährt damit einen Einblick in die assoziativen Methoden künstlerischer Erkenntnisform. Den kunstgeschichtlich etablierten, nach wie vor missverstanden Gedanken vom Readymade, zitiert Rayne dadurch, dass dieses von ihm demontierte Fahrrad aus dem Fundus der Galerie stammt. Der Fahrradschlauch schließlich ist um das Bild “Goat“ geschlungen. Aus dem Fundus der Galerie stammt auch eine Art Holzbank, die Rayne türkisgrün umgespritzt hat, darüber gelegt befindet sich ein schwarzes Filztuch aus dem Buchstaben ausgestochen sind. Das Ganze sieht aus wie eine Ruhebank mit Decke von der abgewinkelt eine Haltestange am Boden arrangiert ist, um die ein Handtuch gerollt ist: Felt Kind of Fun benutzt Andeutungen auf Design und Gebrauchsformen und erreicht dadurch eine Verbindung zur Architektur auch durch den prägnanten Einsatz der offensiven Farbe der Bank.
Diese Arbeiten zeigen alle einen gewissen Humor, wenn sie für sich in ihrem räumlichen Arrangement betrachtet werden. Ihren Witz und damit ihre Freiheit verlieren sie spätestens, wenn sie zu Erfüllungsgehilfen eines engagierten Programms werden.

©Hugo Boadas 2011
Bildnachweis: view 9
Installation view, Blake Rayne: Shade Subscription, September 17 - October 29, 2011, Photo: Nick Ash, © Blake Rayne, Courtesy Capitain Petzel, Berlin

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