Robespierre

11. Juni 2011 / Eingestellt von thw um 18:36 /

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Die Kunst braucht eine Stimme

KOMMENTAR VON Rolf Lautenschläger

in der Taz vom 7.6. 2011, muss man sich wieder mal kundig machen, was die reale Figur Robespierre in der französischen Revolution und danach getan und gelassen hat.

Hier also der Kommentar des gegenwärtigen Robespierre des zeitgenössischen Kunst und Kunstszene:

Also: Modekunst, Augenzwinkerkunst und das xte Readymade-Mätzchen, modisch-konservatives Konzeptkunsthandwerk nach dem Lehrbuch, Wowereitkunst, Kuratorenkunst, Authentizitätskunst, und dann als Publikum die üblichen aufgedrehten reichen Jetsetkinder im Bohemedress, die Netzwerker, Adabeis und Wichtigtuer im Kulturwirtschaftsdress, und die Glamourfraktion, die immer nur zur Vernissage kommt. Superkuratoren sprechen abgeklärt ein paar Worte zur Einführung, loben und mahnen, es gibt Sekt und Bier: Nichts neues unter der Junisonne.

Irgendwie hat man es alles schon ähnlich anderswo gesehen, und in zwei Wochen sieht man es wieder anderswo, wieder leicht variiert und unter anderen Logos und Signets. Man hat das Gefühl, die Kunst ist nicht mehr Auslöser, Indikator oder Sensor für gesellschaftliche oder mentale Umbrüche, subjektive radikale Experimente und Perspektivwechsel, sondern hinkt diesen entweder krampfig bemüht und angestrengt hinterher (Venedig), oder ist schon ganz von der Welt entkoppelt, und schmort in ihrem eigenen zunehmend schal werdenden Saft: Hier ein Preis, da ein Stipendium, dort die zusammengestoppelte Kuratorenprosa, yes, I live and work in Börlin. Heute ein beflissener Antrag mit den diesjährigen stereotypen Floskeln, morgen zur Befreiung eine abgeschmackt-freche Geste aus den 70ern, macht sich alles gut im Lebenslauf der selbstvermarktenden Kunstbeamten und Ich-AGs und zukünftigen Hofnarren der Reichen. Irgendwie kann ich damit nichts anfangen, schämt sich ein Außenstehender. Der Künstler erzählt derweil von der nächsten Ausstellung: Zürich, und eine Galerie hat sich auch schon gemeldet.

Wer noch behauptet, all dies habe irgendeine Relevanz außerhalb des zunehmend aufgeblähten Kunstkosmos, oder innerhalb dieses Kunstkosmos irgend eine andere echte Relevanz als das übliche Ranking, Verhandeln der aktuellen Hierarchien und Marktwerte, Repräsentation, und eine gern gesehene Sommernachtsbespaßung, der lügt sich in die Kunsttasche. Entgegen dem oberflächlichen Anschein ist die Gegenwartskunst längst eine sehr konservative, traditionsfixierte und klischeehafte Angelegenheit geworden, die von vergangenen Heldentaten zehrt wie der alte Opa bei den Simpsons. Man hat nichts zu sagen, nur eine weitere Variation des Immergleichen anzubieten, und versteckt dies ängstlich hinter immer verquasteren Titeln und Referenzen und Inszenierungen, die Komplexität heucheln. Es ist aber auch egal, kaum jemand fragt wirklich danach, denn das wäre peinlich. Ja, der Meese, sagt der Meier aus der Personalabteilung, haha, der Meese.

Früher mal übermütig und riskant, gefährlich, bekämpft und angefeindet, heute von Bild und Welt gefeiert, und Distinktionselement der Oberschicht: Man sollte es ihr wohl nicht mehr so leicht machen, wenn Kunst (und was sie sein kann) einem wirklich noch wichtig ist.





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