Umverteilung

4. März 2009 / Eingestellt von thw um 08:47 /




Erst war es nur dieses Bild, das mich anzog, ein Ausschnitt aus einem Video von Raymond Taudin Chabot. Und dann auf der Rückseite der Titel der Ausstellung 'Die Politik der Umverteilung'.

Sollte die Kunst wieder eine Verantwortlichkeit entdeckt, weil sie als Spekulationsmasse in der gegebenen Situation weitgehend ausfällt. Oder ist links sein wieder chic?


Die Politik der Umverteilung

Der Wandel des gesellschaftspolitischen Systems innerhalb der letzten 20 Jahre, die Neoliberalisierung breiter politischer, sozialer und wirtschaftlicher Bereiche und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen und Folgen sind allgegenwärtig und dennoch versteckt. Zunehmende Armut als Folge von zunehmendem Reichtum, der Rückzug der Solidargesellschaft, Prekarisierungen von Lebensbedingungen, Verarmung des Mittelstandes und dramatische Existenzgefährdung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen, sowie extrem auseinanderklaffende Einkommensmöglichkeiten werden von Regierungsparteien und deren Wirtschaftsexperten als unumgängliche Maßnahmen der Umsetzung staatlicher Sparkonzepte zur Sanierung des Staatshaushaltes und als nötiges Instrument zur Steigerung von Wirtschaftswachstum verkauft.
Mittlerweile hat die Finanzkrise das Spardogma vorübergehend aufgehoben, um Gelder für Rettungspakete für Banken und für Konjunkturmaßnahmen locker zu machen. Es wird propagiert, dass all die Finanzpakete nötig sind, um negative Auswirkungen für die Realwirtschaft zu verhindern um möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Aber ist das nicht eine neue , den Staat weiter für die eigenen Zwecke auszuhöhlen, noch immer im Sinne des neoliberalen Mottos „mehr privat, weniger Staat“. Denn die Gelder, die für die Rettungspakete der Banken geschnürt wurden , der Realwirtschaft nicht an und fehlen im sozialen Bereich. Und ob Arbeitsplätze mit den so genannten wirtschaftsankurbelnden Maßnahmen gerettet werden können, wird man erst sehen.
Die Umverteilung des Kapitals – zugunsten der Konzerne und Shareholder – wird weiterhin Gesellschaften erzeugen, die durch soziale Ungleichheiten geprägt sind. Die Umverteilung wird von der Mainstream-Politik nur anders gerechtfertigt und begründet werden.
Im Namen neoliberaler Gebote werden Aufgaben und Leistungen des Sozialstaates nach und nach eliminiert. Die Inflation des Begriffs des Sozialen wurde durch eine konstruierte Notwendigkeit neoliberalen Agierens und durch konstruierte ökonomische Erlösungsphantasien mitverursacht und beschleunigte damit erfolgreich den Abbau des Sozialstaates.
Die Folge sind Entpolitisierung, Entsolidarisierung, Machtverlust und Verarmung der Bevölkerung auf symbolischer und realer Ebene, sowie Perspektivelosigkeit auf einer imaginären Ebene. Der Abbau des Sozialstaates ist erklärtes Ziel und bestimmt den gesellschaftlichen Alltag der Ungleichheit. Steuerermäßigungen für Konzerne, Entlassungen zugunsten von Aktiengewinne und niedrige Löhne für immer mehr Arbeitsstunden produzieren Ungleichverhältnisse und Armut. Der Staat und die Mittelschicht verarmen und die Machtverhältnisse verschieben sich in Richtung Kapital-Oligarchie. Der Abbau des Sozialstaates ist Anliegen rechts-konservativer Schichten, denen es durch Vermarktungs­strategien und durch mediale Unterstützung gelang ihr politisches und unsoziales Programm als Mainstream zu etablieren. Durch die Eliminierung von Arbeitsplätzen wird Eigenkapital gesteigert und die Löhne werden gedrückt; es werden Realitäten geschaffen, in denen Gehälter bezahlt werden die fürs Leben nicht reichen und die vom Staat ergänzt werden müssen. Staatliche Leistungen unterstützen hierbei vorrangig neoliberale Unternehmensstrategien von Konzernen und nicht die ArbeitnehmerInnen.

„Die Ursache vielfältiger ökonomischer, sozialer und wirtschaftspolitischer Probleme liegt in einer zunehmend falschen Verteilung: eine falsche Verteilung von Einkommen führt zum Stocken der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und zu wachsender Armut und Polarisierung sowie zu spekulativer Überhitzung der Finanzmärkte. Eine falsche Verteilung von Arbeit verhindert, dass die positiven Wirkungen langfristiger Produktivitätssteigerungen und des damit sinkenden Arbeitsvolumen in kürzere Arbeitszeit in einer vollbeschäftigten Wirtschaft umgesetzt werden; stattdessen führt steigende Produktivität zu Massenarbeitslosigkeit und längerer und schlechterer Arbeit. Eine falsche Verteilung von Macht und Einflussmöglichkeiten der Menschen auf die Politik schließlich hat zu einer Wirtschaftspolitik geführt, die in erster Linie die Reichen bedient, sich von den Bedürfnissen und Problemen der meisten Menschen immer weiter entfernt und so die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft untergräbt.“*

Folgewirkungen dieser Entwicklungen sollen in dieser Ausstellung innerhalb gesellschaftspolitischer und privater Systeme sichtbar gemacht und analysiert werden. Folgewirkungen neoliberaler Realität wie vererbte Armut, Bildungsarmut und Perspektivelosigkeit von Jugendlichen, sowie die Entstehung von Parallelmärkten und die Frage nach Modellen des Sozialen, bzw. nach einer Solidargesellschaft und nach Sozialpolitik sollen gestellt werden. Ein Modell wäre das Grundeinkommen, das wie Parallelmärkte, eine Reaktion auf das Versagen der Politik darstellt und ein anderes Verteilungssystem impliziert, ebenso wie selbstorganisierte Kooperativen, die gemeinschaftliche Lebens- und Arbeitsformen selbstbestimmt entwickeln und neue Verteilungsmechanismen praktizieren. Oder könnte nicht eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich die Massenarbeitslosigkeit beenden und eine gerechtere Verteilung von Arbeit im Sinne einer kurzen Vollzeitarbeit bewirken?

* Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Memorandum 2008, Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht, Alternativen zur Bedienung der Oberschicht, Kurzfassung, S. 20, Bremen 2008



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