Warum in die Nähe...

7. Mai 2007 / Eingestellt von thw um 12:35 /

schweifen, wenn das Gute liegt so fern?

Das ist eine Version des berühmten Gedichts 'Erinnerung' des Geheimrats Goethe. Diese Version kommt einem in den Kopf, wenn man die Fotoausstellung

'What does the jellyfish want? - Fotografien von Man Ray bis James Coleman'

im Ludwig Museum in Köln gesehen hat. Vielleicht wird man hier in Berlin durch Fotoaustellungen unterschiedlichen Kalibers so weit enttäuscht, dass man andere Fotoausstellungen immer besser findet. Aber diese Ausstellung ist ohne Beispiel und von einer Qualität, die man anderen Ortes lang suchen muss. Allein die Konfrontationen und Korrespondenzen lassen jede Fotografie wie noch nicht gesehen erscheinen wie das bekannte Motiv von Lee Friedlander.


Lee Friedlander:New York City, 1966, Silbergelatineabzug 28 x 35 cm, ML/F 2001/0048
Fotografische Sammlung Museum Ludwig / Schenkung Locher
© Lee Friedlander


Und in diesem Kontext ist weder Louis Lawler fremdartig noch Christopher Williams, der mit seiner Fotografie titelgebend zur Ausstellung war.


Louise Lawler Two Pictures, 1992, Silbergelatineabzug 2 Fotografien mit Text,je 71 x 81 cm, ML/F 1994/4 I-II
Fotografische Sammlung Museum Ludwig
© Louise Lawler



Christopher Williams, Pacific Sea Nettle, Chrysaora Melanaster, Long Beach Aquarium of Pacific, 100 Aquarium Way, Long Beach, California, August 9, 2005, 2005
© C.Williams


Weil uns die Ausstellung so wichtig ist, drucken wir auch hier die Pressemittteilung ab:
What does the jellyfish want - diese Frage wirft der Künstler Christopher Williams während eines Interviews auf, in dem er erläutert, warum ihn das Meerestier so fasziniert: Ohne Form, ohne Skelett, ohne Geschlecht ist die Qualle ein Wesen ohne Eigenschaften. In diesem Sinne steht das Meerestier als Metapher für die Fotografie in der zeitgenössischen Kunst und dient als Motto zur Ausstellung: Was ist die Fotografie? Abdruck der Wirklichkeit oder Datenmaterial, das beliebig bearbeitet werden kann? Dokumentation oder inszeniertes Bild? Found Footage oder aufwändig hergestellter Abzug? Mit drei historischen Bezügen auf die Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt die Ausstellung aktuelle Tendenzen der Fotografie und ihre Traditionen auf.

Die Ausstellung gliedert sich in einen historischen Rückblick, der die surrealistische Fotografie um Man Ray, die Fotografien, Fotogramme und Collagen der Konstruktivisten mit László Moholy-Nagy und A.M. Rodtschenko, sowie August Sanders "Menschen des 20. Jahrhunderts vorstellt. Die frühen Positionen werden mit aktuellen Arbeiten in Bezug gesetzt, die sich chronologisch um die wichtigsten Schritte der Fotografie in der zeitgenössischen Kunst gruppieren. Dazu gehört zum einen die Wiederentdeckung der Fotografie in der Aktionskunst und Konzeptkunst der 1970er Jahre. Sie diente nicht einfach der Dokumentation des Aktionsverlaufs. Vielmehr planten die Künstler die Kamera in ihren Aktionen als ein Element mit ein und führten ihre Aktionen häufig nur für die Kamera auf. Im Rahmen der Konzeptkunst wurde die Fotografie zur einfachen Aufzeichnung genutzt, was im Konzept formuliert ist. Es entstanden Zufallsaufnahmen und einfach gemachte kleine Bücher, die damals als bewusst amateurhaft rezipiert wurden.

Ende der 1970er Jahre ist eine Entwicklung vom fotografischen Abbild der Wirklichkeit zur Reflexion und Neuerfindung vorhandener fotografischer Bilder festzustellen. Cindy Sherman inszeniert beispielsweise Filmstills von nicht existierenden Filmen, so dass die Fotografien wie Kopien ohne Original erscheinen.

In den letzten zehn Jahren wurde das Dokumentarische als spezifisch künstlerische Haltung wieder entdeckt. Dabei wird der grundlegende Anspruch, die Realität in den Fotografien sichtbar zu machen, sie zu erforschen und zu analysieren, auch von den Künstlern erhoben, die wie Andreas Gursky das fotografische Material am Computer bearbeiten.

Als erstes Kunstmuseum erwarb das Museum Ludwig bereits Mitte der 1970er Jahre die Sammlung Gruber sowie eine Reihe von wichtigen Positionen für die Fotografie der Gegenwart wie Bruce Nauman, Dennis Oppenheim, Douglas Huebler, Bernd und Hilla Becher u.v.a. Seitdem ist die Sammlung stetig erweitert worden, um die gesamte Entwicklung der künstlerischen Fotografie sichtbar werden zu lassen und sie bis in die Gegenwart zu verlängern. Die Schätze der Sammlung werden gemeinsam mit den Neuerwerbungen vorgestellt.

Künstlerliste:
Robert Adams, Eugène Atget, John Baldessari, Thomas Bayrle, Bernd und Hilla Becher, Anna und Bernhard Johannes Blume, Mel Bochner, Joachim Brohm, James Coleman, Ger Dekkers, Jan Dibbets, William Eggleston, Valie Export, Hans Peter Feldmann, Lee Friedlander, Albrecht Fuchs, Gilbert & George, Andreas Gursky, Jitka Hanzlova, Florence Henri, Candida Höfer, Douglas Huebler, Sanja Ivekovic, André Kertész, Jürgen Klauke, Louise Lawler, Jean LeGac, Jochen Lempert, Barry Le Va, Dr. Manfred Leve, Sherrie Levine, Sol LeWitt, Gordon Matta-Clark, Boris Mikhailov, László Moholy-Nagy, Robert Morris, Bruce Nauman, Gabriele und Helmut Nothhelfer, Dennis Oppenheim, Peter Piller, Man Ray, Alexander Rodtschenko, Thomas Ruff, Ed Ruscha, August Sander, Gregor Schneider, Ursula Schulz-Dornburg, Cindy Sherman, Robert Smithson, Thomas Struth, Wolfgang Tillmans, Jeff Wall, Robert Watts, Stephen Wilks, Stephen Willats, Christopher Williams, David Wojnarowicz.

Im Verlag der Buchhandlung Walther König erscheint ein umfangreicher Katalog mit vielen Abbildungen und Beiträgen von Bodo von Dewitz, Barbara Engelbach, Herbert Molderings und Herta Wolf.


P.S.: Zumindest die Arbeiten von Christopher Williams können wir auch in Berlin sehen, im Schauraum des Sammlung Haubrok, Straussberger Platz 19.

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