GESTERN

22. Mai 2012 / Eingestellt von thw um 13:51 /





Rede zur Eröffnung der Ausstellung
Agnes Lörincz
Wir /Transfer
Galerie Schwartzsche  Villa  Dienstag 22.Mai 2012

Sehr geehrte Damen und Herren,
Der Glanz von Hollywood ist längst verblaßt und dennoch ist er uns allen noch bewußt, die Traummaschine der Welt. Und obwohl wir wissen, daß wir es mit einer Traummaschine zu tun haben, wollen wir nicht darauf verzichten. Wahrscheinlich ist es gerade die Tatsache, daß es sich bei Hollywood um einen Traum handelt, der keinen Wahrheitsgehalt aufweist. Es ist ein kleines Detail auf dem Gemälde 'Der Flug' , der mich an Hollywood erinnert. Der Privatjet  am oberen Bildrand, der mich unwillkürlich an James Bond erinnert.
Aber ist ein Traum, den wir in der Nacht erlebt haben, nicht real. Welche Bilder sind real und welche sind falsch? Es gibt Anzeichen dafür, daß diese Frage nur im konkreten Kontext beantwortet werden kann. Und dieser konkrete Kontext steht uns hier an diesem Ort, zu dieser Zeit zur Verfügung in dieser Ausstellung mit diesen Werken Agnes Lörincz.
Der Titel der Ausstellung führt uns in diesen räumlichen und zeitlichen Kontext ein: Er lautet Wir  Strich  Transfer.
Was steckt hinter diesem kryptischen Titel? Zum einen die Leugnung einer Künstlerfigur, denn wer sollte mit 'Wir' bezeichnet, sicherlich nicht ein pluralis majestatis der Künstlerin . Nein, es sind wir hier und unter uns die Künstlerin. Warum aber wird hier von 'Wir' gesprochen. Das hängt zutiefst mit den jeweiligen Bildinhalten zusammen.
Schauen Sie genau hin und noch einmal. Und es wird Ihnen vorkommen, als seien sie diesen Bildinhalten schon mal begegnet. Das ist das überraschende Moment in den Werken von Agnes Lörincz: Wir kennen diese Bildelemente, aber nicht in dieser konkreten Zusammenstellung, als ob man hinter die Oberfläche gucken könnte.
Aber um hinter die Oberfläche zu kommen, bedarf es besonderer Anstrengungen. Das  ist bei einem oberflächlichem Blick eine Art Widerspruch. Zum einen steht dem Betrachter nur erst das Bild als gesamte Erscheinung vor ihm. Die Unterscheidung zwischen Vordergrund und Hintergrund kennen wir aus der Alltäglichkeit. Dabei greifen wir auf Erfahrungswerte zurück. Intuitiv erfassen wir jene Objekte, die im Vordergrund stehen, um von ihnen aus in die Tiefe des Raumes zu gelangen. Diese Tiefe des Raumes war eine Entdeckung der Renaissance, die damit auch eine neue Erfahrung bereit stellte. Erst der Kubismus hat uns gelehrt, daß der Raum auch andere Tiefen und Untiefen kennt.
Die Werke von Agnes Lörincz greifen mittelbar auf diese Erkenntnisse zurück und finden eine Lösung, die so überraschend wie auch überzeugend ist. Beispielhaft zu erleben in dem schon erwähnten Bild mit dem einfachen, aber irritierenden Titel 'Der Flug'. Das titelgebende Objekt läßt sich auf den ersten Blick gar nicht auf dem Bild identifizieren. Vielleicht liegt das an der Figur am rechten unteren Bildrand, deren Funktion und Haltung vor einer blauen Fläche nicht zu identifizieren ist. Die Beine eines Mannes erhöhen die Irritation. Die aber wird durch unterschiedliche Flächen zur Ruhe gebracht, weil damit der eigentliche Bildraum zur Abbildung kommt. Die Staffelung der einzelnen Elemente im Werk  verweisen einerseits darauf, daß der Bildraum trägt, was in ihm auftaucht. Die eigentlichen Träger sind andererseits die dekorativen, auf sich selbst bezogenen Flächen, die unterschiedliche Dimensionen haben. Dichte und Größe der Flächen sind in das Verhältnis zu den Personen und den Früchten einzurechnen. Man könnte von einem malerischen Klappbild sprechen, weil je nach Blick wird die Oberfläche in den Fokus  gerückt wird oder die bittende Frau oder das Gegenüber,  die Füße des Mannes. Diese Dichotomie zwischen Muster und Gestalt kennzeichnet das Werk von Agnez Lörincz. Dabei ist es wesentlich, daß sowohl Muster als auch die Gestalt  auf reale Körper bezogen sind und nicht im abstrakten Modus verbleiben.
Die Muster haben in besonderer Weise die Funktion, den Bildraum  zu bestimmen. Tatsächlich gliedern sie ihn in zweifacher Weise. Das abstrakte Momentum verstärkt in besonderer Weise die Abbildung. Die Bilder sind so im wahrsten Sinne des Wortes zweideutig. Die Abbildung im Bild erhält durch die Konkurrenz des Musters einen höheren Wahrheitsgehalt. Dieser Wahrheitsgehalt wird konterkariert durch das abgebildete Sujet. Hollywood läßt grüßen und damit eine Mega-Industrie zur Erstellung von Wunschbilder wie dem Privatflugzeug. Tatsächlich steht am Ende die Frage, welche Bildmuster tragen.
Das Werk von Agnes Lörincz ist zweideutig in Bezug auf die Antwort darauf  Frage. Das Wort 'Musterbilder' ist in sich schon zweideutig, weil es sich einerseits auf die regelmäßige Verteilung von grafischen Elementen bezieht und andererseits  als Vorbilder für andere Bilder.  In den Werken von Agnes Lörincz passiert etwas Ungewöhnliches, denn die Gemälde werden selbst eine Art Muster. Dabei nehmen sie eine Art Vorbildfunktion an, weil sie die Wirkung der öffentlichen Bilder nachspielen. Wenn die Künstlerin in einem ihrer jüngeren Arbeiten ganz direkt eine Art Zitat aus einem Film zeigt, dann  wird das Verfahren der Bildproduktion deutlich. Denn das eigentliche Objekt der Neugier ist nicht zu sehen und wird durch den Abdruck auf dem Bett deutlich. Plötzlich wird etwas sichtbar, was hinter der Oberfläche liegt, aus dem Hintergrund. In diesem Sinne ist die Malerei von Agnes Lörincz eine Bildproduktion einer Bildproduktion, hinter der gewohnten Oberfläche.

Ich danke Ihnen


ERÖFFNUNG:
Wir/Transfer 

Ausstellung von Ágnes Lörincz

Galerie Schwartzsche Villa
Grunewaldstr.55
12165 Berlin Steglitz

Zur Einführung spricht Thomas Wulffen

Bild: Der Flug, 2012, Öl,Stoff auf Leinwand, 140 x 180 cm


Wir sehen uns!  Parole: Blog!

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