Giacometti im Kasten

31. Januar 2011 / Eingestellt von thw um 18:39 /

Für das Werk Alberto Giacometti gibt es zwei unterschiedliche Zugangsweisen. Der eine ist der über die Figur Jean-Paul Sartres und dessen Existentialismus, für den Giacometti in seinen Skulpturen den zeitgenös-sischen Ausdruck gefunden hat. Der Erfolg Giacomettis ist auf dieser Folie sehen. Der phänomenologische Zugang, vertreten durch Merleau Ponty hat nie die Popularität des Sartreschen Existenzialismus erreicht. Markus Brüderlin als Direktor des Museums Wolfsburg konnte zu Recht auf diese Deutungshoheiten verweisen, um mit seiner eigenen Interpretation dagegen zu halten: Giometti topologisch. Oder 'Der Urspung des Raumes', so der Titel dieser Retrospektive.


Die zentrale Kategorie seines Werkes sei der Raum um das Werk. Die jüngst eröffnete Ausstellung im Kunsmuseum Wolfsburg soll ein Beleg dafür sein. Sie ist es leider nur am Rande, im wahrsten Sinne des Wortes. In der Nähe des Eingangs zu Ausstellung finden sich gleich drei exemplarische Präsentationen, die deutlich machen, was möglich gewesen wäre. Dabei greift der Direktor auf das Display einer früheren Giacometti Ausstellung zurück, die Susanne Pagé mit Unterstützung des schweizerischen Künstler Rémy Zaugg realisierte. Die damalige Präsentation konzentrierte sich dabei vor allem auf ganz kleine Skulpturen, deren Umraum sich leichter realisieren liess. In einem milchigen Licht ohne wahrnehmbare Wand wird das kleine Objekt tatsächlich zur Definition von Raum. Und man kann diesen Raum dann auch als einen virtuellen begreifen und Giacometti als einen Entdecker dieser virtuellen Realität feiern.

Die Ausstellung aber vergisst sehr schnell diese Gedanken, um in den Fahrwassern gewöhnlicher Retrospektiven zu schifffern. Und man ist gewissermassen stolz darauf, zwölf Jahre nach der letzten Retrospektive. Dieses Mal aber spricht man vom 'reifen Werk'. Dennoch sind fast sechzig Skulpturen zu sehen und dreißig Gemälde. Es fehlt der Mut zur Konzentration und zur Reduktion. Sichtbar wird das in dem Raum mit der Skulptur 'Taumelnder Mann', die im milchigem Ambiente tatsächlich zu stürzen scheint. Aber in der Masse der Werke geht die Fähigkeit zu wirken, die als wesentliches Ingredienz des Begriffs 'virtuell' verstanden werden kann, den Bach runter. Wand trifft auf Wand, Box auf Box nach der Devise 'Alles im Kasten'.

Dafür konnte man dann auch auf Werke aus dem Bestand der Sammlung der Fondation Alberto und Annette Giacometti Paris zurück greifen, die noch nie in Deutschland zu sehen waren. Damit der Besucher nicht vergisst, dass das Museum auch eine Sammlung besitzt, erweitert man den Horizont durch Arbeiten von Carl André, Bruce Nauman oder Jeff Wall unter dem Motto 'Die Frage nach dem Raum in der zeitgenössischen Kunst'. Ah, ja. Da leuchtet dann plötzlich im Rücken eine Lichtarbeit von James Turrell auf und lässt die Giacometti Arbeit vor einem im rosa Licht erstrahlen. Und der Besucher ist doppelt irritiert. So stossen sich dann auf der ersten Etage die 'Zehn Köpfe' von Bruce Nauman in der Durchsicht an den gegenüber hängenden Gemälden von Giacometti. Und die Arbeiten von Franz West sehen aus wie falsche Giacomettis. Oder sollte das eine ironisches Volte auf die jüngste entdeckten Fälschungen von Giacometti -Skulpturen sein?

Die Virtualität der Skulpturen sind so nicht zu entdecken, Kasten hinter Kasten. An einer Stelle wagt man dann eine offene Situation und es zeigt sich, was möglich gewesen wäre. Die Dimensionen ändern sich mit dem Standpunkt und plötzlich lässt sich die Virtualität der Skulpturen von Giacometti erahnen. Zuviele Mauern für zuviele Werke, Giacometti im Kasten und keine Offenbarung.




















Alberto Giacometti Der Ursprung des Raumes

Retrospektive des reifen Werks

Kunstmuseum Wolfsburg

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