Haus auf dem Dach

11. Dezember 2009 / Eingestellt von thw um 13:13 /



Was hier zu sehen ist, sind Aufrisse von Wohnungen auf Hochhausdächern. Erst diese Aufrisse machen deutlich, worum es geht: um Wohnungen auf Dächern, die zum großen Teil selbst erbaut wurden.

Mehr dazu in diesem Buch:

Portraits from above - Hong Kong's informal rooftop communities:// ca. 300 Seiten / ca. 120 Fotografien in Farbe und Duoton / ca. 90 Architekturzeichnungen / 22,5 x 24,8 cm, Hardcover /

Fotografien: Stefan Canham, Architekturzeichnungen: Rufina Wu

Selbst errichtete Siedlungen auf Hochhausdächern gehören seit mehr als fünfzig Jahren zu Honkongs Geschichte. Einfachste Hütten, die Unterpriviligierten als Behausung dienen, finden sich ebenso wie komplexe, mehrstöckige Konstruktionen, ausgestattet mit dem Komfort modernen Lebens. Die kanadische Architektin Rufina Wu und der aus Deutschland stammende Fotograf Stefan Canham dokumentieren in diesem spektakulären Buch fünf Dachsiedlungen in älteren Bezirken der Halbinsel Kowlooon, die im Rahmen des von den zuständigen Behörden vorgesehenen Sanierungsprogramms in den kommenden Jahren tiefgreifende Veränderungen erfahren werden. Texte über die Siedlungen und ihre Bewohner, maßstabsgetreue axonometrische Zeichnungen und Grundrisse der verschiedenen Dachstrukturen und Behausungen sowie Photografien, die neben den Siedlungspanoramen auch die Interieurs von mehr als zwanzig Haushalten zeigen, gewähren einen einzigartigen Einblick in das Alltagsleben auf den Dächern Hongkongs.

Aus dem Vorwort von Rufina Wu und Stefan Canham:

Es gibt keinen Aufzug. Wir laufen acht Stockwerke die Treppe hinauf, zögern auf den letzten Stufen, sehen uns an, außer Atem: woher nehmen wir das Recht, hier zu sein? Das Dach ist ein Labyrinth aus Korridoren, engen Fluren zwischen Hütten aus Blech, Holz, Ziegeln und Plastik. Treppen und Leitern führen hinauf zu einem zweiten Stockwerk aus Hütten. Wir verlaufen uns. Mit unseren Flugblättern in der Hand klopft Rufina an eine Tür. Ein kurzes Gespräch auf Kantonesisch. Stefan steht im Hintergrund, der Ausländer, der lächelt und kein Wort versteht. Sie hören uns zu, lächeln auch und bitten uns in ihre Wohnungen. Später schauen wir von einem Hochhaus auf der anderen Straßenseite auf das Gebäude hinunter. Das Dach ist riesig, bestimmt dreißig oder vierzig Haushalte, wie ein Dorf. Von außen ist es unmöglich zu erahnen, wie es von innen aussieht. Ob es Internet gibt, oder eine Toilette. Und welche Geschichten sich hier verbergen.


Wer macht hiervon ein Bild? Wer schreibt auf, was hier passiert? Manchmal erscheint ein Artikel in der Zeitung, oder eine Hilfsorganisation startet eine Kampagne. Verschiedene Behörden legen Akten über sogenannte "nicht genehmigte Baumaßnahmen" an, malen einen Code an die Hütten und fotografi eren sie. Die Akten sind nicht öff entlich zugänglich, nur die Bewohner dürfen sie einsehen, um zu begreifen, warum ihre Wohnungen abgerissen werden sollen. Nur selten dokumentieren die Leute auf dem Dach ihr Zuhause selber: die Familienbilder, die sie uns zeigen, wurden in einem Feld voller Sonnenblumen aufgenommen, oder in einem Dorf auf dem Festland, oder unten auf der Straße, neben einem Auto stehend, das jemand anderem gehört, lächelnd.


Wir laufen wieder die Treppen hinauf. Wir verirren uns nicht mehr in den Korridoren. Wir lernen, wie die Anwohner ihre Wohnungen umbauen und in Schuss halten. Es gibt Leute, die seit zwanzig oder dreißig Jahren auf dem Dach leben und die Stadt mit aufgebaut haben. Die Neuankömmlinge aus China, aus Südostasien, aus Pakistan, tun es immer noch. In den Siebzigern bauten sie die U-Bahn, jetzt arbeiten sie an den neuen Wolkenkratzern. Die älteren Stadtteile Hongkongs werden umgegraben. Manche Gebäude zerfallen, weil der Beton mit Salzwasser angemischt wurde, andere müssen höheren weichen, die mehr Profi t abwerfen. Den meisten Dachbewohnern würde es nichts ausmachen, in einem der neuen Hochhäuser zu wohnen, aber sie können es sich nicht leisten. Alle haben Angst davor, in die Satellitenstädte umgesiedelt zu werden, wo es kaum Perspektiven gibt und wenig nachbarschaft liche Hilfe. Wir laufen wieder die Treppen hinauf. Die Dachsiedlungen sind ein urbanes Vermächtnis. Sie erzählen von der Geschichte Hongkongs, den politischen Umwälzungen in China, von Sanierung, Spekulation und Abriss, von den Hoff nungen und dem, was die Menschen in der
Stadt zum Leben brauchen.

Rufina Wu / Stefan Canham / 2008



Mit einem Essay von Dr. Ernest Chui und weiteren Textbeiträgen

280 Seiten
100 Fotografien in Farbe und Duoton
58 Architekturzeichnungen
23 x 25,4 cm
Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-9809677-7-8

EUR 45

zu erhalten über peperoni books oder bei 25books.


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