Standfest

6. Oktober 2009 / Eingestellt von thw um 17:04 /

Eigentlich haben wir ja darauf gewartet, endlich mal eine kritische Stimme zu vernehmen anlässlich der Ausstellung von Thomas Demand in der neuen Nationalgalerie. Zwar konnte man schon vorher Hinweise auf unappetitliche Details in den Notizen von Botho Strauss vermerkt sehen, aber den neuen Staatskünstler zum sechzigjährigen Jubiläum der Bundesrepublik wollte doch keiner so Recht ins Visier nehmen. Aber im jüngsten Informationskunst Kunst findet sich jetzt der Verriss, auf den wir gewartet haben, damit die Dimensionen wieder zur Recht gerückt werden. Hier also der Text zur Zeit, zum Ausschneiden, Aufhängen oder Zusammenknüllen aus den Händen von Karlheinz Schmid:



Thomas Demand: Vom Bastler zum Denker und dann zurück


Es muss sein. Ich werde mich womöglich unbeliebt machen, aber

unwidersprochen kann das alles nicht stehenbleiben. Seit zwei Wochen nun

landauf und landab verklärende, schwärmerisch ausfallende Komplimente

für Thomas Demand und seine noch bis Mitte Januar in Berlin, Neue

Nationalgalerie, präsentierte und vermeintlich staatstragende

Ausstellung »Nationalgalerie«. Seitenlange Berichte in Magazinen,

ganzseitige Hymnen in beinahe jeder Tageszeitung, bisweilen sogar

Extra-Blätter, ganz so, als sei der Berliner Fotograf der Heilsbringer

schlechthin. Dabei, lässt man die überdrehte Lobhudelei vieler

schreibender Kollegen unbeachtet (von Kritiken mag ich angesichts dieser

PR-Texte wirklich nicht berichten), kann man den kaum nachvollziehbaren

Demand-Wirbel ernüchternd auf eine einfache Formel bringen. Brav

gebastelt, solide fotografiert, mit farbigen Vorhängen und ein paar

schicken Holzflächen auf bürgerliches Ambiente in großer nationaler

Galerie getrimmt, das ist die Basis dieses Ausstellungserfolgs.

Gewissermaßen als Schlagobers (es soll schließlich alles

gesellschaftlich relevant wirken!) obendrein von Botho Strauß und

anderen Prominenten ein paar kluge Statements, so dass Demands Handwerk

auf Vor- oder Nachdenker-Niveau gehievt erscheint. Politisch klingendes

Motto: »Nachdenken über Deutschland«. Doch ich frage mich, kann sich

diese vielfach überschwänglich gefeierte Kunst tatsächlich behaupten,

hat das bildnerische Werk des konventionell zwischen Raum und Fläche

operierenden Künstlers irgendeine Zukunft? Sind die ausgewählten

(Medien-)Motive nicht austauschbar, völlig beliebig, gestern Barschels

Wanne, heute Merkels Kanne und morgen Westerwelles Tanne?

Meines Erachtens macht sich diese ungeheuer ordentliche, aufwändige,

verdächtig deutsch anmutende Kunst letztlich entbehrlich, weil sie in

jenem Moment wieder profanisiert und in ihrer aufgeblähten Bedeutung

erheblich reduziert wird, wenn die Schlauberger der Nation, ob

Wissenschaftler oder Politiker, das Demand-Rahmenprogramm der Neuen

Nationalgalerie verlassen und die (re)konstruierten und dann

abgebildeten Räume nicht mehr als eben nur des Bastlers Fleißarbeit

sind. Dank der anlässlich dieser Schau national verankerten Ansprüche

liegt fortan die Latte für die Akzeptanz des Gesamtwerks noch höher als

bislang. Der Künstler wird sich gewaltig strecken müssen.


Karlheinz Schmid





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