Gerade rechtzeitig

14. August 2008 / Eingestellt von thw um 14:17 /



erschien gestern unser Zeitungsblatt für Friedrichshain, das 'Berliner Abendlatt' mit neuen Nachrichten zum Künstlerhaus Bethanien. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass alles noch in der Schwebe ist.

Sicher allerdings sind die Eröffnungen heute abend um 19 Uhr, u.a.

Daniel Barroca

"Soldier Playing with Dead Lizard"


Wer es nicht zur Eröffnung schafft und auch nicht danach. kann folgenden Text sich zu Gemüte führen:


Thomas Wulffen
Archäologie des Abbilds
Bemerkungen zum Werk von Daniel Barroca

Die Rede von einem Abbild erscheint auf den ersten Blick seltsam. Ist nicht die Kategorie des Bildes primär gegenüber dem Abbild? Das könnte auch bedeuten, dass eine Archäologie des Abbilds wesentlich auf einer Archäologie des Bildes aufbaut. Deswegen muss eine Unterscheidung zwischen Bild und Abbild gezogen werden, die das archäologische Moment in den Hintergrund rückt. Eine derartige Differenz aber lässt sich klarer darstellen an einem konkreten Objekt. Das Werk von Daniel Barroca bietet diese konkrete Basis an.
Wer sein Atelier besucht, der übersieht im doppelten Sinne des Wortes. Er erhält eine Übersicht im Atelier, die den Raum als eine Werkstatt identifizierbar macht. An den Wänden hängen Zeichnungen, schwarze Konturen auf weißen Blättern. Zum Teil liegen die Blätter auf dem Boden, manche sind an den Wänden befestigt. Aber er übersieht auch den anderen Teil des Werkes, der differente Präsentationsformen nutzt. Auf den großen Tischen stehen ein Computer und ein Gerät zum Einscannen von Bildern. Auf den ersten Blick scheint das eine nichts mit den anderen zu tun zu haben.. Tatsächlich aber wird sich herausstellen, dass Daniel Barroca transmedial arbeitet. Das Wort ‚transmedial’ soll in diesem Kontext nur bedeuten, dass der Künstler sehr bewusst die Grenzen medialer Erscheinung übertritt.
An dieser Stelle lässt sich eine Unterscheidung anbringen, die die Begriffe beim Wort nimmt: Wir meinen den Unterschied zwischen Manufaktur und Technologie. Die Zeichnungen sind Teil der Manufaktur, während das nicht sichtbare Moment im Atelier dem Bereich der Technologie angehört. Die Zeichnungen sind Objekte der Manufaktur, mit der Hand erstellt. Die Objekte der Technologie sind weniger sichtbar, nur deren Apparate zur Sichtbarmachung fallen auf.
Daniel Barroca arbeitet auf der schmalen Linie zwischen Sichtbarkeit und Nichtsichtbarkeit. Diese Gegenüberstellung aber betrifft direkt die Frage der Archäologie, im eigentlichen Sinne und auch in der Perspektive, die Foucault unter diesem Begriff entwickelt hat. So wird im Atelierraum eine spezifische Sichtbarkeit deutlich, die offen legt und gleichzeitig verdeckt. Kehren wir zu Ausgangsfrage zurück. Wo sind die Bilder und wo sind die Abbilder? Die Trennung zwischen diesen Bereichen fällt jetzt leichter: die erwähnten Zeichnungen sind Bilder, während die Loops im Video Abbilder sind. Das wird deutlich in der Abstraktion auf einen kleinen Ausschnitt. Dieser Ausschnitt findet sich dann auch wieder in dem Zyklus 'The Sequences of Memory, Silence and War' (Jahrgang 2002 bis 2003). Grundlage dafür ist zum Teil gefundenes Bildmaterial, das von Daniel Barroca bearbeitet und geschnitten wurde. Im Jahr 2002 entsteht so 'Vestige', beruhend auf anonymem Fotomaterial, das der Künstler 1998 und 2002 in einer Buchhandlung in Lissabon gefunden hatte. 'Verdun' (2003) verwendet unterschiedliches Filmmaterial aus dem Ersten Weltkrieg, während Sarau aus dem gleichen Jahr mit dem Material direkt auf die koloniale Vergangenheit Portugals verweist. Dabei wird der Film sozusagen aufgebrochen oder aus Fotomaterial ein Film hergestellt. Das aber bedeutet, dass deren inhärentes Präsentationsprinzip hintertrieben wird, ebenso wie in den Bewegungsloops.
Hier offenbart sich das künstlerische Prinzip der Archäologisierung von Bildern. Im Film 'Barulho #1' (Lärm) (Jahr 2005) werden die Filmbilder durch eine Schicht abgedeckt, die ihnen sozusagen eine künstliche Patina gibt.(1) Diese Schicht ist aber auch eine Art malerischer Artefakt. Der Künstler schreibt dazu: „Ich habe versucht, Beziehungen zwischen zwei verschiedenen Medien – dem fotografischen Bild und der Zeichnung – herzustellen, um über die Form eine Überlegung hinsichtlich der Entstehungsmechanismen von Sensibilitäten in Gang zu setzen.“(2) So treffen zwei verschiedene Prozesse des archäologisierenden Momentes aufeinander, der inhärente des Abbildmaterials und der externe in der Bearbeitung des Künstlers. Beide Momente wirken auf die Erfahrung, die der Betrachter vor diesen Werken machen kann. Dazu Barroca: „Mein Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass in der heutigen Welt Erfahrungen allgemein weniger intensiv sind und dass Bilder wie Filter funktionieren, die den wahren Sinn der Dinge verzerren. Ich beschäftige mich unmittelbar mit den Spannungen, die zwischen fotografischen Aufnahmen als Gedächtnisstützen einerseits und dem Zeichnen als einem Prozess der Bildung des Ichs andererseits entstehen.“(3)
Archäologie des Abbilds aber bezieht darüber hinaus auch die Beobachterperspektive ein. Das wird schon an dem Titel 'Verdun' deutlich. Zwar mag eine jüngere Generation mit dem Ortsnamen wenig anfangen können, aber der Ort der blutigsten Schlacht des Ersten Weltkriegs kommt in dem Film von Daniel Barroca nicht zur Abbildung. Eher gibt er dem Betrachter Material an die Hand, auf das er seine eigenen Bilder projizieren kann. Schließlich sind die Filmbilder aus Kriegen keinesfalls ausgegangen und Bilder aus 'Apokalypse Now' sind noch in Erinnerung. Weil Barroca diese Bilder verschleiert, wirken sie umso stärker, denn die Identifizierung greift auf eigene Bilder zurück, ohne zu einer Auflösung zu kommen.
Im Jahre 2007 beginnt Barroca einen neuen Werkzyklus, der in seiner Radikalität überrascht und überzeugt. Darin wendet er sich von den auf Dokumenten basierenden Arbeiten ab, um selbst Dokumente besonderer Art herzustellen. An dieser Stelle schließt sich ein Kreis, weil in dem Zyklus 'Artefakt' wieder ein Anschluss an die Zeichnungen gelingt.
Grundlage für die einzelnen Artefakte, die bewusst nicht als Skulpturen begriffen werden sollen, ist Lehm. Dieser wirft vom Künstler geknetet und in unterschiedlichen Stadien fotografiert. Die Mittel der Darstellung umfassen dabei Video, Diapositive und schwarzweiße Gelatin-Silber-Drucke sowie diskrete Materialspuren: Der Lehm(4) hinterlässt Abdrücke auf dem Papier, und Zeichnung scheint hier Raum zu werden. Besonders in den Fotoabzügen gewinnen Bild und Abbild eine spezifische Materialität, die das konkrete Medium, in dem das Bild erscheint, hinter sich lässt. Aber es mag durchaus sein, dass die Frage nach der Art des Mediums nicht beantwortet werden. Vielleicht kann sie nur aufgezeigt werden kann: im Artefakt.

(1) Dabei überschreitet der Künstler ganz selbstverständlich technologische Entwicklungsschritte, von Super 8 zu Digital-Video auf PAL.
(2) http://www.bethanien.de/kb/index/trans/de/page/artist/id/84
(3) s.o.


Der Text wird im kommenden Be_Magazin veröffnetlicht.

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