Prekär oder blöd?

Am Prekariat sind nicht jene schuld, die die davon profitieren, sondern jene, die darunter leiden. Dergleichen will man jenen vermitteln, die nicht zu den Profiteuren gehören. Also ist der Prekarisierte selbst schuld an seiner Situation. Zur Aufklärung wollen wir hier zwei jüngste Vorfälle darstellen.

1)
Ein Künstlerhaus im Westen dieses Staates hatte mich letztes Jahr zu einer Jurysitzung eingeladen, zwecks der Ermittlung neuer Kandidaten für die Ateliers im Hause. Anfahrt und Rückfahrt fast einen Tag inklusive Sitzung macht zwei Tage. Honorar 300 Euro plus Fahrtkosten. OK bis dahin.
Leider war ich davon ausgegangen, dass ein Artikel im Jahrbuch ebenfalls honoriert wird. Deeshalb schlug ich ein Thema vor, das dann mit Freuden angenommen wurde. Der dazu zugesandte Vertrag sah dafür kein Honorar vor. Das Texthonorar war sozusagen im Juryhonorar beinhaltet. Selbst schuld, wenn man dann zu seinem Wort steht.

2)
Ein Kunstmagazin nimmt die Besprechung einer Ausstellung eines Künstlers höheren Ranges entgegen. Der Künstler wird in zwei verschiedenen Ausstellungshäusern mit einer Retrospektive geehrt. Der Text dazu nimmt im Heft dann sechs Seiten in Anspruch, wovon drei größtenteils Abbildungen enthalten. Die Rechnung für den Artikel beläuft sich auf meiner Seite auf 450 Euro. Vom Herausgeber erhalte ich den Hinweis, alle Texte im Magazin werden mit 150 Euro abgegolten. Meine Beiträge beliefen sich bis dato auf kritischen Anmerkungen, die eine Mansukriptseite umfassten. Ein Text in diesem Format hat die Wortanzahl von 798 und die Zeichenanzahl von 4965. Die Ausstellungsbesprechung hat 1684 Wörter und 10021 Zeichen. Was ist Gewohnheitsrecht und was ist Herausgeberrecht?


Unabhängigkeit führt in das Prekariat. Wer als freier Autor überleben will, hat sich zu verkaufen. Und das bedeutet, die Unabhängigkeit aufzugeben. Oder er richtet sich auf diese Basis der 'Honorierung' ein und stimmt die eigenen Produktionsbedingungen darauf ab.
Namen sind nämlich Schall und Rauch.