25 Was passiert wenn ein Kunstwerk eine Fußnote wird

7. April 2013 / Eingestellt von thw um 12:26 /





PRESS RELEASE


Michael Müller
6. - 20. April 2013

Im April 2013 beginnt Michael Müller in der Galerie Thomas Schulte seinen Ausstellungszyklus "Achtzehn Ausstellungen" mit den ersten drei Ausstellungen. Am Freitag, den 5. April 2013 eröffnen die Ausstellungen "In Situ. Warum kann man Gedanken nicht sehen" und "Ex Situ" und am Dienstag, den 9. April die Ausstellung "Prolog: Skizze einer Ausstellung. Vom Problem heute zeitgenössisch zu sein". Während "In Situ. Warum kann man Gedanken nicht sehen" nur an einem Tag zu sehen sein wird, nämlich am Samstag, den 6. April, laufen die anderen beiden Ausstellungen bis zum Samstag, den 20. April. Fortgesetzt wird der Ausstellungszyklus im Herbst 2013 und beendet in 2014.

Ausgangspunkt von Michael Müllers Ausstellungszyklus ist "Der Mann ohne Eigenschaften" bzw. das hundertjährige Jubiläum des Jahres 1913, in dem Robert Musils unvollendet gebliebener Roman beginnt. Diesen Roman begann Michael Müller vor mehr als 17 Jahren, in konzentrierter konzeptueller wie zeichnerischer Arbeit in einer eigens von ihm entwickelten Zeichenschrift zu übersetzen, die auf Kreissegmenten, horizontalen und vertikalen Linien basiert und von dem Künstler K4 genannt wird. Eine große Gruppe der transkribierten Buchseiten wird für die gesamte Dauer der 15 Hauptausstellungen wandfüllend im Hauptausstellungsraum der Galerie hängen. Vor dieser Folie, mal sichtbar, mal hinter einem zugezogenen Vorhang, wird Michael Müller Ausstellungen inszenieren, in denen er häufiger mit Werken und Objekten anderer Künstler und Nicht-Künstler als denn mit eigenen die Figuren und die Zeit des Romans umkreist. Durch den fortwährenden Rollenwechsel von Künstler zu Kurator sucht Müller die Distanz zum Ausstellungsbetrieb und stellt die Aufgaben aller beteiligten Protagonisten in Frage, sei es den Galeristen, den Sammler, den Kritiker und natürlich allen voran den Kurator und Künstler.

In der Ausstellung "In Situ. Warum kann man Gedanken nicht sehen", die nur für einen Tag im Hauptraum der Galerie zu sehen sein wird, tauchen bereits Motive auf, die im Laufe der Ausstellungsreihe vom Künstler immer wieder aufgegriffen und in neue Kontexte gestellt werden. An der Wand hängt ein gezeichnetes Porträt Robert Musils, vor dem ein Sockel mit der Originalausgabe des "Mann ohne Eigenschaften" steht. Auch die Abgüsse und Originale altägyptischer Skulpturen sind ein Verweis auf Musils Jahrhundertroman. So zeigt ein Spiegel das göttliche Zwillingspaar Isis und Osiris, die zugleich Geschwister und Liebende sind, ein Mythos, den Musil in der Beziehung seiner Hauptfigur Ulrich zu dessen Schwester Agathe verarbeitet. Zu den ägyptischen Abgüssen werden andere Objekte assoziativ in Beziehung gesetzt, so u.a. die gezeichnete Kopie einer Renaissancezeichnung des Harpocrates, der - Stille anmahnend - die Hand vor den Mund hält.

Die Ausstellung "Ex Situ" wird im Window Space der Galerie für die gesamte Dauer des Prologs zu sehen sein. In dem mit Le salon de léphémère betitelten Kabinett steht frei im Raum auf einem Sockel ein Blumenstrauß, dessen stetig verwelkende Erscheinung in einem Spiegel reflektiert wird.

Für die Ausstellung "Prolog: Skizze einer Ausstellung. Vom Problem heute zeitgenössisch zu sein", die am 9. April eröffnet, wird der Hauptausstellungsraum der Galerie teilweise verändert und um weitere Werke ergänzt. An die ursprüngliche Stelle von Musils Porträt tritt das Inhaltsverzeichnis eines von Müller fingierten "3. Buches" zum "Mann ohne Eigenschaften". Das Inhaltsverzeichnis wird von einem langen, in zwei Spalten geteilten Text umflossen, wobei eine Spalte Musils unveröffentlicht gebliebene Vorworte zum "Mann ohne Eigenschaften" wiedergibt und die andere ein Vorwort zur Ausstellungsreihe in der Galerie.

Im Hauptausstellungsraum zeigt Müller außerdem das Gemälde einer Parklandschaft der deutschen Malerin Elsa Weise, einer Schülerin von Matisse und Corinth. Daneben wird ein Philipp Otto Runge zugeschriebenes Kinderporträt präsentiert, welches Müller aus der nicht unbedeutenden Kunstsammlung von Elsas Vater Felix Weise erworben und teilrestauriert hat. Auf beide Gemälde wurden vom Künstler sogenannte captchas aufgebracht, Tests, die prüfen, ob Eingaben in Internetformularen über Menschen oder Computer erfolgt sind. Die Worte "Mensch" und "Kunst", die in diesem Fall zu lesen sind, können nur von menschlichen Betrachtern erkannt werden. Müller thematisiert hier die Wahrnehmung von Kunst als etwas dem Menschen eigenes ebenso wie die Vergänglichkeit von Kulturgütern, indem er die in Vergessenheit geratenen, teilweise stark beschädigten Werke wieder in die öffentliche Wahrnehmung zurückbringt.

Die Objekte des Prologs bilden den Ausgangspunkt von Entwicklungslinien, die den Ausstellungszyklus durchziehen und die einzelnen Ausstellungsteile miteinander verbinden. Mit der Zeit wird sich ein Netz von Bezügen zwischen den Werken und Ausstellungen bilden, so dass sich am Ende die vielen Einzelteile zu einem komplexen sinnhaften Ganzen zusammensetzen. Das Vorläufige und Unfertige des Romans wie die Unmöglichkeit zu einer präzisen Deutung wird zum Spiegel der Ausstellung.

Michael Müller, geboren 1970 in Ingelheim am Rhein, lebt und arbeitet in Berlin. Er studierte Bildhauerei und bildende Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf bei Magdalena Jetelova. Neben zahlreichen Galerieausstellungen war Müller in den vergangenen zehn Jahren an zahlreichen Gruppenausstellungen im In- und Ausland beteiligt, wie an der Landart Biennial in Ulan Bator, Mongolei (2010), an Ausstellungen in den Kunstsaelen in Berlin (2010), im Kunstmuseum Kloster unser lieben Frauen in Magdeburg (2010) und in der Kunsthalle zu Kiel (2010). Jüngst waren seine Arbeiten im Kunsthaus Dresden (2012) und in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik (2013) zu sehen.

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