Geniale Irreführung

15. August 2009 / Eingestellt von thw um 09:17 /





Diese Irreführung fängt schon mit dem Titel an und sie hört auch nicht auf. Was die bildende Künstlerin und Schriftstellerin Ricoh Gerbl in ihrem jüngsten Buch veröffentlicht, ist eine höchst intelligente Mischung von Klatschroman, Zeitkritik und Nouveau Roman.
In der Betrachtung der Dinge zeigt sich die Referenz an die Gegenstandswelt, wie sie für den nouveu roman kennzeichnend ist. Andererseits mag sich in dieser Dinghaftigkeit auch der Zugang der bildenden Künstlerin zum eigenen Material zeigen. Aber schon die Sprache und deren Form gewinnt bei Ricoh Gerbl eine ganz spezifische Materialität, die ungewohnt ist. Denn einerseits führt sie diese Sprache vor und andererseits wird sie auch getragen von den Personen, die die einzelnen Erzählungen bevölkern. Aber schon in der beschreibenden Kritik stößt einem das Wort 'bevölkern' seltsam auf.
Tatsächlich ist das ein Ergebnis der Lektüre dieser Erzählungen. Ihre Alltäglichkeit wird konterkariert durch ein Sprachgefühl, das sich als Konstruktion gibt und doch auch immer Vermittlung ist. Wie die Autorin in einem Gespräch für die Zeitschrift 'von hundert' angibt, ist für sie die Literatur eng verbunden mit der Fotografie. Literatur ist eine Art Standaufnahme. In der 'Aufnahme' zeigt sich dann auch eine doppelte Körperlichkeit, einerseits der Sprachen selbst, andererseits der handelnden Personen, die Körper gewinnen über die Sprache.
Mit 'Leben im Luxus' sind der Autorin literarischen 'Aufnahmen' besonderer Güte gelungen. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass diese Erzählungen auch ein starkes ironisches, wenn nicht humoristisches, Moment enthalten.
Wenn man das Buch jetzt nicht entdeckt, wird man es in fünf oder zehn Jahren entdecken. Und man wird sich ärgern, dass man es beim Erscheinen nicht wahrgenommen hat. Eben eine geniale Irreführung.


Ricoh Gerbl
Leben im Luxus
Erzählungen

Mitteldeutscher Verlag (Halle) Saale
160 S., KlBr
ISBN 978-3-89812-600-7

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