Nicht ich!
3. Mai 2007 / Eingestellt von thw um 16:49 /
Mit Datum vom 26. April erhielt ich heute die Absage bezüglich meiner Bewerbung für die Nachfolge von Alexander Tolnay als Direktor des Neuen Berliner Kunstvereins.
Sechs Bewerbunggespräche werden geführt. Das Ergebnis ist in Kürze zu erwarten.
Ich danke den bekannten und unbekannten Unterstützern und Unterstützerinnen und wünschen dem Nachfolger oder der Nachfolgerin viel Erfolg in der neuen Position.
Zur Dokumentation fügen wir hier einen kritischen Text zum NBK an, der am 15. Februar vergangenen Jahres im Kunstblog erschien:
Krise? Krise!
Der NBK im Rückzug aus dem Rückzug
Von Krise mag man im Falle des Neuen Berliner Kunstvereins nicht mehr reden. Erst recht nicht, nachdem der Direktor Alexander Tolnay laut offiziösen Quellen den Rückzug von seinem Rückzug angetreten hat. Offensichtlich gibt es noch genug Länder, deren zeitgenössischen Fotokunst präsentiert werden kann. Und die Stadt selbst hat auch genug Kuratoren, um die Reihe der »Ortsbegehung« fortzusetzen. Darüber hinaus aber gehört der Neue Berliner Kunstverein zu jenen Orten in der Stadt, die scheinbar weder ein Krisenbewusstsein entwickeln noch Gedanken darauf verschwenden wollen, wie man darauf reagieren kann. So bleibt im Moment das einzig Neue am Neuen Berliner Kunstverein das »Neue« im Namen.
Krisenbewusstsein meint in diesem Zusammenhang zweierlei. Zum einen bezieht es sich auf die eigene Institution, zum anderen auf die Institution als solche. Das eine wirkt auf das andere ein. Da wünscht man sich in Berlin ein ähnliches Loch wie in Köln, das dann das Konzept einer europäischen Kunsthalle geboren hat, dessen »Vater« nun der allgegenwärtige (solange er nicht eingeladen wird) Nicolas Schaffhausen ist. Auf der Internetseite des Projekts Eukunsthalle lassen sich schon Antworten auf Fragen finden, die man hier in Berlin noch nicht mal zu denken wagt (da unterscheidet sich der NBK auch nicht von anderen Institutionen, zu denen man dann wohl auch die Akademie der Künste rechnen kann.) Schließlich ist hier mehr Europa als im alten Westen, aber selbst diese Chance nimmt man in Berlin nicht wahr: Der Osten glänzt hier nicht. Und West-Berlin geht dennoch unter.
Die folgenden Bemerkungen sind auch als Institutionskritik in concreto zu verstehen. Schließlich feiert diese Kritikform gerade wieder feierlichen Urstand (siehe dazu ganz frisch Do you remember institutional critique). Zu Recht, denn der globalisierte Kapitalismus hat die zeitgenössische Kunst — oder was er dafür hält – als eine neue profitable Spielwiese entdeckt. Welche Aufgaben hat demgegenüber ein Kunstverein im 21. Jahrhundert? Was ist Kunst im 21. Jahrhundert? Eine Karikatur ihrer selbst oder notwendiges Korrektiv zur bestehenden Gesellschaftsform? Bloßes Ausdruckmedium oder eine spezifische Erkenntnisform? Wer sich nicht um Antworten auf diese Fragen bemüht, steht schon im Abseits. Aus diesem Abseits sollte der Neue Berliner Kunstverein herausgeholt werden. Um das zu erreichen, werden folgende Schritte vorgeschlagen.
Der NBK trennt sich von der Artothek. Für die Benutzer mag das Angebot noch relevant sein, für den Besucher im ersten Stock ist es eine Zumutung. Die Artothek hat ihre Bedeutung gehabt, sie kann als eine eigenständige Institution um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Aber als Anhängsel des NBK ist sie ein Klotz, dem man möglichst bald loswerden sollte. Der freigewordene Raum der Artothek wird dem Video-Forum eingeräumt, mit Präsentationsmöglichkeiten, einer Bar und Bedienung. Genauere Konditionen werden in Absprache mit der Leiterin des Video-Forums noch festgelegt, könnte man jetzt noch anfügen. Dass diese beispielhafte Sammlung ein Schattendasein führt, ist bedauernswert. Zwar werden die Bänder jetzt zum großen Teil digitalisiert, aber das führt nicht von selbst zu einer größeren Öffentlichkeit. Hier aber würde sich das Bemühen lohnen, mehr als bei jener seltsamen Reihe der »Zeitgenössischen Fotokunst«.
Seit mehreren Jahren läuft diese Reihe, die in einer globalisierten Welt seltsam rückwärtsgewandt erscheint. Ihr Informationsgehalt ist als gering anzusetzen, weil die Fotokünstler mit Namen ausserhalb nationaler Kontexte wahrgenommen werden. Und was heißt schon »Zeitgenössische Fotokunst«? Wenn sich Alfons Hug jetzt um die brasilianische Fotokunst verdient macht, dann ist das ja schön und gut. Aber für wen und für was? Es drückt sich darin ein Prinzip aus, dass wesentlich für das Programm des NBK ist: die Delegation an eine andere Person. Das zeigt sich in der Reihe der Ortbegehung, dessen erste »Einrichtung« 1995 der Autor dieser Zeilen zu verantworten hatte und deren letzte Marius Babias gestaltete. Zusätzlich dazu wurde die Reihe der Critic’s Choice mit Knut Ebeling und Nicola Kuhn eröffnet. Ulf Erdmann Ziegler wurde für eine Fotoausstellung herangezogen. Der Direktor Alexander Tolnay ist in diesem Sinne in seinem eigenen Haus eher Intendant als Direktor oder Kurator. Das aber befördert den Eindruck, »der Direktor ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen«, um es mal so auszudrücken. Und es verhindert nicht den Eindruck von Beliebigkeit, den man in diesen Zeiten auf jeden Fall vermeiden sollte. Die Ortsbegehung lässt sich auch ganz anders vorstellen: Statt im eigenen Sumpf herumzustochern, um noch einen Kurator, eine Kuratorin zu finden, wird diese Person ausserhalb gesucht. Das heisst im nahe gelegenen Ausland, in allen Himmelsrichtungen, mit Altersgrenze dreißig. Die Personen können sich bewerben und ein kleines Gremium von drei Personen entscheidet über den »Gewinner«, die »Gewinnerin«. Der oder die hat ein Konzept vorgelegt, das realisiert wird. Dieses Konzept enthält nicht unbedingt eine Reihe von Berliner Künstler, es kann ebenso ein Künstler aus dem Heimatland des Kurators sein. Der »Kurator« erhält für drei Monate Gastrecht in der Stadt und schließt diesen Aufenthalt mit einer wie immer gearteten Vorstellung ab. Vielleicht enthält das Konzept aber gar keinen Künstler und gar keine Ausstellung, sondern eine einwöchige Präsentation von Aktivitäten. Vielleicht aber ist gar kein Konzept aufgefallen, und wir lassen die Ortsbegehung dieses Jahr ausfallen. Man kann ja versuchen, die Ausstellung zu nichtlinearen Ausdrucksformen in der zeitgenössischen Kultur vorzuziehen.
Eine Bedingung für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Konzepts wollen wir hier nicht unterschlagen: Der NBK braucht einen neuen Raum, an anderer Stelle und an anderem Ort und sei es in Oberschöneweide. Die Räumlichkeiten in der Chausseestraße sind begrenzt und sie haben ihre Schuldigkeit getan. Was heute für einen zeitgenössischen Kunstverein verlangt wird, ist ein Raum mit multifunktionalen Bedingungen. Das hört sich schwerer an als es ist. Gewünscht und gesucht wird eine Halle mit Bürotrakt. Der White Cube im Palast der Republik war ein Beispiel dafür. Kleinere Dimensionen sind durchaus möglich, auch in der Peripherie der Stadtmitte. Vielleicht mit kleiner Bar und Präsentationsmöglichkeiten für Filme, Video und CD-ROM bzw. DVD. Und dann legen wir das »Neu« vom Neuen Berliner Kunstverein ab und die Institution erhält den neuen Namen Kunstverein Berlin, kurz KuBe.
Das sollte zu schaffen sein, in gemeinsamer Anstrengung von Vorstand und Direktion und Geschäftsführung. Der Status quo ist unakzeptabel, weil er die Institution in ein Abseits stellt, das sie nicht verdient hat.
Thomas Wulffen