Begegnung im Buchladen

13. September 2007 / Eingestellt von thw um 11:17 /

In seinen Begegnungen im Blumenladen berichtet der Fotograf Wolf Klein von derartigen Ereignissen vor Ort in unregelmäßiger Folge. Eine ganz besondere Begegnung an einem anderem Ort wollen wir unseren Lesern und Leserinnen hier nicht vorenthalten:

Zwischendurchbloggen von Wolf Klein

Die weltberühmte Künstlerin


Gestern vormittag war ich in einer bekannten Berliner Kunstbuchhandlung in Charlottenburg. Als ich dort stand und die Bücher anschaute, betrat eine sehr berühmte Künstlerin den Laden. Eine der erfolgreichsten, zeitgenössischen, deutschen Künstlerinnen. Eine international gefeierte Künstlerin. Eine Frau in den Fünfzigern, mit blondierten Haaren, einer irrsinnig schlechten Frisur, einer Stimme wie die Knef und einem schweren Alkoholproblem. Die Künstlerin stand mitten im Raum und sprach in einer Mischung aus Brüllen und Lallen:
"Ist denn die Chefin zu sprechen?„

Der Buchhändler antwortete vorsichtig und höflich und etwas steif: "Die Chefin ist heute leider nicht im Haus.„

"Wenn die Chefin nicht da ist, dann wird es doch eine Vertretung geben.„

"Ja, die gibt es. Ich bin die Vertretung.„

"Was?„

"Ich. Ich bin die Vertretung.„

"Dann hören Sie zu. Ich möchte, dass Sie der Chefin ausrichten, ich kaufe alles. Ich kaufe jedes Buch von mir. Ich kaufe alles. Ich kaufe alles auf. Und ich bezahle dafür. Ich möchte, dass Sie alles zusammenpacken. Ich kaufe alle meine Bücher. Und ich bezahle dafür.„

"Also, Sie möchten von jedem Buch ein Exemplar?„

"Ich will alles. Ich will alle Bücher. Ich kaufe jedes einzelne Buch. Und ich möchte, dass Sie in Ihren Lagern nachsehen und im Keller. Ich kaufe jedes Buch von mir, das in irgendeiner Ecke rumliegt. Alle. Ich möchte, dass Sie alle zusammenpacken. Sagen Sie das Ihrer Chefin. Und ich bezahle dafür. Da macht sie ein gutes Geschäft, das wird sie freuen. Und ich möchte, dass Sie diesen anderen Buchhändler da noch anrufen. Der hat auch noch viele Bücher von mir. Die kaufe ich auch. Ich kaufe alles. Ich will, dass alles unverkäuflich wird. Und ich kaufe auch jede Zeitschrift, in der ein Artikel über mich drin ist. Ich kaufe alles.„

"Also, ich schreibe das auf und sage es gleich morgen früh der Chefin.„

"Sie sagen das der Chefin, ja?„

"Ja, gleich morgen früh.„

"Und Sie rufen diesen anderen Buchhändler an? Gleich jetzt. Machen Sie so was?„

"Das kann ich nicht genau sagen. Ich sage es der Chefin. Gleich morgen früh. Und ich schreibe Ihnen hier unsere Telefonnummer auf.„

"Ja, das ist gut. Und Sie packen alle Bücher zusammen.„

Dann ging die Künstlerin. Der Buchhändler atmete auf und sagte zu mir: "Da muss man erstmal abwarten, wie ernst das gemeint war. Wir haben gerade ganz viele Bücher von ihr für die Kunstmesse bestellt.„
Und dann sagte er nochmal: "Da muss man erstmal abwarten, wie ernst das gemeint war.„

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